Quotenvorrecht — Wer es nicht kennt, verschenkt bares Geld!

A. Positives aus dem Verkehrsrecht

Meist wird nach einem Verkehrsunfall nur mit der Kaskoversicherung abgerechnet. Dies ist nicht richtig, denn die nach der Abrechnung mit der Kaskoversicherung verbliebenen Schadenspositionen können teils komplett oder auch nach der jeweiligen Quote mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners abgerechnet werden. Diese Abrechnungstechnik wird allerdings wegen Unkenntnis nur sehr selten angewandt. Oftmals vermag der Geschädigte gar nicht glauben, dass diese Art der Schadensregulierung möglich ist. Daher empfehlen wir, Verkehrsunfälle stets durch einen Verkehrsanwalt regeln zu lassen. Denn nicht selten ist auch der nicht spezialisierte Anwalt mit dieser Verfahrensweise auf Anhieb überfordert.

B. Abrechnung im Falle einer Reparatur

I. Regulierung durch gegnerische Haftpflichtversicherung

Bei der Abwicklung von Verkehrsunfällen ergibt sich nicht selten eine eindeutige hundertprozentige Haftung zugunsten oder zu Lasten einer Unfallpartei. Bei einer Mitschuld wird hingegen eine Haftungsquote gebildet. Diese kann beispielsweise 50 : 50 betragen. Die Parteien müssten dann der jeweiligen anderen Partei deren entstandene Schadenspositionen gemäß der eigenen Haftungsquote erstatten.

Beispielsfall:
Reparaturkosten10.000,00 €
Wertminderung1.200,00 €
Sachverständigenkosten650,00 €
Abschleppkosten400,00 €
Nutzungsausfallschaden / Mietwagen900,00 €
Unkostenpauschale25,56 €
Summe13.175,56 €
50 % - Haftung - offen:6.587,78 €

Bei einer Haftungsquote von 50 % erhält der Geschädigte einen Betrag in Höhe von 6.587,78 €. Geschädigte rechnen oftmals nur mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung ab und verzichten auf die Möglichkeit, die zu ihren Gunsten bestehende Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen.

II. Regulierung durch eigene Kaskoversicherung

Die Kaskoversicherung würde vertragsgemäß von dem oben dargestellten Schaden lediglich die Reparaturkosten abzüglich einer eventuellen Selbstbeteiligung (z.B. 500,00 €) zahlen.

Beispielsfall:
Reparaturkosten10.000,00 €
abzüglich Selbstbeteiligung- 500,00 €
Summe9.500,00 €
offen:3.675,56 €

Würde der Geschädigte nur die eigene Kaskoversicherung in Anspruch nehmen, würde im Bezug auf den Beispielsfall gesehen, für ihn ein offener Betrag in Höhe von 3.675,56 € bestehen bleiben. Die Kaskoversicherung reguliert regelmäßig nur den Ersatz des eigentlichen Fahrzeugschadens. Weitergehende Schadenspositionen, wie die Wertminderung, die Sachverständigenkosten, die Nutzungsausfallentschädigung / Mietwagenkosten und die Unkostenpauschale werden von den Kaskoversicherungen regelmäßig nicht getragen.

III. Inanspruchnahme von Haftpflicht- und Kaskoversicherung - Quotenvorrecht

Der Geschädigte kann jedoch bei einem Verkehrsunfall beide Versicherungen nutzen. In diesem Fall kann dem Unfallopfer ggf. trotz erheblicher Mithaftung sein gesamter Schaden ersetzt werden.
Zunächst nimmt der Geschädigte die eigene Kaskoversicherung in Anspruch. Hinsichtlich der offenen Posten werden diese gegenüber der gegnerische Haftpflichtversicherung abgerechnet. 
Die gegnerische Haftpflichtversicherung ist nun verpflichtet, die quotenbevorrechtigten Positionen nicht nur entsprechend der Haftungsquote, sondern in vollem Umfang auszugleichen.

IV. Quotenbevorrechtigte Positionen

Als quotenbevorrechtigte (kongruente) Positionen sind in der Regel all diejenigen Positionen anzusehen, „die das Blech berührt haben“. Hierzu zählen:

  • Selbstbeteiligung
  • Wertminderung
  • Sachverständigenkosten
  • Abschleppkosten.

Diese Positionen muss die gegnerische Haftpflichtversicherung zu 100 % übernehmen.

Nicht dazu zählen:

  • Nutzungsausfallschaden / Mietwagen
  • Unkostenpauschale
  • Kasko-Rückstufungsschaden.

Bei diesen Schäden muss die gegnerische Haftpflichtversicherung nur in Höhe der Haftungsquote regulieren, hier zu 50 %. Diese Schadens-positionen werden auch als nicht-kongruente Schadenspositionen bezeichnet.

Beispielsfall:
 100 %Quote
Selbstbeteiligung500,00 € 
Wertminderung1200,00 € 
Sachverständigenkosten650,00 € 
Abschleppkosten400,00 € 
Nutzungsausfallschaden / Mietwagen450,00 €
Unkostenpauschale12,78 €
Summe2.750,00 €462,78 €
Gesamt3.212,78 €

V. Komplette Schadensregulierung für den Geschädigten

Beispielsfall:
Kaskoversicherung (eigene)9.500,00 €
Haftpflichtversicherung (gegnerische) - 100 %2.750,00 €
Haftpflichtversicherung (gegnerische) - Quote462,78 €
Summe12.712,78 €
offen:462,78 €

VI. Grenze für quotenbevorrechtigte Abrechnung

Als Besonderheit bei der quotenberechtigten Abrechnung ist nur eine Grenze zu beachten. Die gegnerische Haftpflichtversicherung darf nicht schlechter gestellt werden, als sie stünde, wenn sie den Schaden gemäß der Haftungsquote reguliert hätte. In dem oben genannten Beispielsfall hätte der Haftpflichtversicherer bei vollständiger Abrechnung einen Betrag von 6.587,78 € zu bezahlen. Unter Berücksichtigung der Quotenbevorrechtigung zahlt er nun 3.212,78 €. Dieser Betrag liegt somit unter dieser absoluten Kappungsgrenze.

VII. Höherstufungsschaden

Der Geschädigte kann weiterhin seinen Höherstufungsschaden geltend machen. Der Verlust des Schadenfreiheitsrabatts bei vorausgegangener Regulierung durch die Kaskoversicherung ist als sog. Sachfolgeschaden zu ersetzen. Zu beachten ist allerdings, dass der Höherstufungsschaden für die Zukunft nur im Rahmen eines Feststellungsantrags verfolgt werden kann, da diese Schadensposition für die Zukunft noch nicht fällig ist.

C. Abrechnung auf Totalschadenbasis

I. Regulierung durch gegnerische Haftpflichtversicherung

Beispielsfall:
Wiederbeschaffungswert des PKW15.000,00 €
abzüglich Restwert1.000,00 €
Zwischensumme14.000,00 €
Sachverständigenkosten1.000,00 €
Abschleppkosten400,00 €
Nutzungsausfallschaden / Mietwagen900,00 €
Unkostenpauschale25,56 €
Summe16.325,56 €
50 % - Haftung –offen:8.162,78 €

Bei einer Haftungsquote von 50 % erhält der Geschädigte einen Betrag in Höhe von 8.162,78 €. Dieser Betrag spiegelt gleichzeitig die Kappungsgrenze für die Inanspruchnahme des Vollkaskoversicherers bezüglich des Quotenvorrechts wieder.

II. Regulierung durch eigene Kaskoversicherung

Die Kaskoversicherung würde vertragsgemäß von den oben dargestellten Schaden lediglich den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes und abzüglich einer eventuellen Selbstbeteiligung (z.B. 500,00 €) zahlen.

Beispielsfall:
Wiederbeschaffungswert des PKW15.000,00 €
abzüglich Restwert1.000,00 €
abzüglich Selbstbeteiligung500,00 €
Summe13.500,00 €
offen:2.825,56 €

III. Inanspruchnahme von Haftpflicht- und Kaskoversicherung - Quotenvorrecht

Beispielsfall:
 100 %Quote
Selbstbeteiligung500,00 € 
Sachverständigenkosten1.000,00 € 
Abschleppkosten400,00 € 
Nutzungsausfallschaden / Mietwagen450,00 €
Unkostenpauschale12,78 €
Summe1.900,00 €462,78 €
Gesamt2.362,78 €

IV. Komplette Schadensregulierung für den Geschädigten

Beispielsfall:
Kaskoversicherung (eigene)13.500,00 €
Haftpflichtversicherung (gegnerische) - 100 %1.900,00 €
Haftpflichtversicherung (gegnerische) - Quote462,78 €
Summe15.862,78 €
offen:462,78 €

Der Geschädigte kann daher trotz seines Mitverschuldens in Höhe von
50 % auf seinen Gesamtschaden von 16.325,56 € einen Betrag in Höhe von 15.862,78 € erhalten.
Zudem kann der Geschädigte bei Fälligkeit den jährlich eintretenden Höherstufungsschaden nach einer Quote von 50 % geltend machen.
Hätte der Unfallgeschädigte seine Kaskoversicherung nicht eingeschaltet, so hätte er von der gegnerischen Versicherung nur einen Betrag
von 50 %, also nur 8.162,78 €, erhalten.
Daher sollte man sich nach einem Unfall an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden, um alle Möglichkeiten des Schadenausgleichs abklären zu lassen.
Typische Beispiele für Quotenhaftung (beiderseitiges Mitverschulden) sind u.a. Parkplatz- und Parkhausfälle, Halt- und Parkverbotsfälle, Engstellenfälle, Linksabbieger-Überholer-Fälle sowie Vorfahrtsfälle. Wir beraten Sie auch hierzu ausführlich