JGG §§ 32, 105
„[Rn. 10] ... Daher hätte das Landgericht bei der sich über mehrere Altersstufen erstreckenden natürlichen Handlungseinheit die Frage in den Blick nehmen müssen, ob auf diese Tat gemäß §§ 32, 105 Abs. 1 JGG das Jugendstrafrecht oder das allgemeine Strafrecht anzuwenden ist. § 32 i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG ist auch (analog) anwendbar, wenn sich mehrere strafrechtlich bedeutsame Vorgänge, die - wie die Strafkammer zutreffend angenommen hat - im Rechtssinne als eine Tat zu werten sind, über mehrere Altersstufen hinziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 310/17, StV 2019, 470 Rn. 4; vom 11. April 2007 - 2 StR 107/07, StV 2008, 117, 118; vom 18. März 1996 - 1 StR 113/96, BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 1 Alter 1; Urteil vom 22. Juni 1988 - 3 StR 93/88, BGHR JGG § 32 Schwergewicht 1; BeckOK JGG/Schlehofer, 33. Ed., § 32 Rn. 2; Eisenberg/Kölbel, JGG, 25. Aufl., § 32 Rn. 3).
[Rn. 11] Gemäß § 32 JGG kommt es daher maßgeblich darauf an, ob das Schwergewicht bei Tatteilen liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 310/17, StV 2019, 470 Rn. 4; vom 11. April 2007 - 2 StR 107/07, StV 2008, 117, 118; vom 18. März 1996 - 1 StR 113/96, BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 1 Alter 1). Diese Beurteilung ist im Wesentlichen Tatfrage, die das Tatgericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat und daher der Nachprüfung durch das Revisionsgericht grundsätzlich entzogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2017 - 2 StR 460/16, NStZ 2018, 662, 663; Beschlüsse vom 18. Juni 2015 - 4 StR 59/15, NStZ 2016, 101; vom 14. Februar 2023 - 4 StR 511/22, NStZ-RR 2023, 190, 191). Lässt sich nicht eindeutig erkennen, ob das Schwergewicht bei den vom Angeklagten als Heranwachsender begangenen und nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Straftaten liegt, so ist für alle Taten allgemeines Strafrecht anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1997 - 4 StR 389/97, BGHR JGG § 32 Schwergewicht 4 mwN; vom 7. Dezember 1999 - 1 StR 570/99; vom 27. Mai 2008 - 4 StR 178/08, NStZ-RR 2008, 324; vom 18. Juni 2015 - 4 StR 59/15, NStZ 2016, 101). Stellt das Tatgericht - wie hier - entsprechende Überlegungen deshalb nicht an, weil es übersehen hat, dass die Anwendbarkeit des Jugendgerichtsgesetzes überhaupt im Raum steht, können eigene Erwägungen des Revisionsgerichts die gebotene tatrichterliche Prüfung nicht ersetzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 2018 - 3 StR 378/18, StV 2020, 393 Rn. 19; vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 310/17, StV 2019, 470 f. Rn. 4; vom 18. Juni 2015 - 4 StR 59/15, NStZ 2016, 101; vom 11. April 2007 - 2 StR 107/07, StV 2008, 117, 118; vom 18. März 1996 - 1 StR 113/96, BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 1 Alter 1). Der Erörterungsmangel zieht die Aufhebung der verhängten Strafe nach sich.“