§ 212 StGB u.a.
„[Rn. 10] I. Einen Menschen tötet (§ 212 Abs. 1 StGB), wer seinen Tod durch eine ihm zurechenbare Handlung vorsätzlich verursacht. Bei einem Menschen im Sterbeprozess genügt in objektiver Hinsicht, dass zu der bereits bestehenden, zum Todeseintritt führenden Kausalreihe ein Verhalten des Täters hinzutritt, durch das der Tod früher herbeigeführt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 − 4 StR 583/19 Rn. 8; BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985 ‒ 3 StR 300/85, StV 1986, 59, 60; Urteil vom 20. Mai 1980 − 1 StR 177/80, NStZ 1981, 218; Urteil vom 27. April 1966 – 2 StR 36/66, BGHSt 21, 59, 61; Schneider in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 212 Rn. 1; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 212 Rn. 3 mwN).
Dies ist in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich dann der Fall, wenn das Handeln des Täters unter den gegebenen Umständen auf der Grundlage anerkannter naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten als (notwendige) Bedingung für den (früheren) Todeseintritt beschrieben werden kann. Hiervon ist nach ständiger Rechtsprechung auszugehen, wenn die Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (sog. Bedingungstheorie, vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 223/15, NStZ 2016, 721, 722; Urteil vom 10. Juni 2009 ‒ 2 StR 103/09, Rn. 13; Urteil vom 13. November 2003 − 5 StR 327/03, BGHSt 49, 1, 3; Urteil vom 30. März 1993 − 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 197; Urteil vom 28. September 1951 – 2 StR 391/51, BGHSt 1, 332, 333; siehe dazu auch Joerden, Logik im Recht, 3. Aufl., S. 62 ff.; Kudlich, JA 2010, 681; Toepel, JuS 1994, 1009, 1010; Puppe, ZStW 92 [1980], S. 863, 874 f, 909 ff.; dies., NStZ 2004, 554, 555; Wessels/Beulke/Satzger, AT, 53. Aufl., Rn. 225 ff.). Dabei ist grundsätzlich gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 223/15, NStZ 2016, 721, 722; Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00, NStZ 2001, 29, 30; so schon RG, Urteil vom 12. April 1880 – Rep. 570/80, RGSt 1, 373, 374). Ein Kausalzusammenhang in diesem Sinne ist erst zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung einer früheren Ursache beseitigt und unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg allein herbeiführt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2024 − 6 StR 468/23 Rn. 20; Beschluss vom 10. August 2021 ‒ 3 StR 394/20 Rn. 5; Urteil vom 29. Juni 2016 – 2 StR 588/15 Rn. 15; Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 223/15 Rn. 10; Urteil vom 30. März 1993 – 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 197 mwN)“
BGH, Beschluss vom 29.05.2024 - Az. 4 StR 138/22