Sexueller Missbrauch von Jugendlichen

| Strafrecht

StGB § 182 Abs. 3 Nr. 1

[Rn 6] aa) Nach § 182 Abs.3 Nr.1 StGB wird bestraft, wer – als Person über 21Jahren – eine Person unter 16 Jahren dadurch missbraucht, dass er sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder von ihr an sich vornehmen lässt und dabei die ihm gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt. Das vom Tatbestand vorausgesetzte Fehlen der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung dem Täter gegenüber ergibt sich nicht schon allein aus dem Umstand, dass die betroffene jugendliche Person unter 16 Jahre alt ist, sondern bedarf der konkreten Feststellung im Einzelfall. Dabei ist wertend zu beurteilen, ob der Jugendliche im Zeitpunkt der Tatbegehung nach seiner geistigen und seelischen Entwicklung reif genug war, die Bedeutung und Tragweite der konkreten sexuellen Handlung für seine Person angemessen zu erfassen und sein Handeln in Bezug auf den (erwachsenen) Täter danach auszurichten. Ersteres wird dann zweifelhaft sein, wenn das jugendliche Opfer – etwa durch Retardierung im intellektuellen Bereich oder ausgeprägte soziale Fehlentwicklungen bedingt – einen bedeutenden Mangel an Urteilsvermögen aufweist. Die Fähig-keit zur sexuellen Autonomie gegenüber dem Täter kann im Einzelfall auch fehlen, wenn die Beziehung zwischen ihmund dem Jugendlichen auf eine sexuelle Beherrschung angelegt ist oder der Täter sich – durch dominantes oder manipulatives Auftreten – unlauterer Mittel der Willensbeeinflussung bedient. Ein weiteres Indiz für das Bestehen eines solchen „Machtgefälles“ kann auch ein erheblicher Altersunterschied sein. Das Merkmal des Ausnutzens ist erfüllt, wenn sich der Täter die Unreife seines Opfers mit seinem unlauteren Verhalten bewusst zunutze macht.

BGH, Beschuss v. 18.11.2020 - 4 StR 422/19 - LG Essen

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