Sozialethische Notwehrbeschränkung in Folge von Provokation

| Strafrecht

StGB § 32

[Rn. 6 a)] Das Landgericht ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass eine schuldhafte Provokation zu einer Einschränkung des Notwehrrechts führen kann, wenn bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls der Angriff als adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheint. Eine Notwehreinschränkung wegen zumindest leichtfertiger Provokation setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings voraus, dass die tatsächlich bestehende Notwehrlage durch ein rechtswidriges, jedenfalls aber sozialethisch zu missbilligendes Vorverhaltendes Angegriffenen verursacht worden ist und zwischen diesem Vorverhalten und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2020 – 4 StR 658/19, NStZ 2021, 93, 94 mwN). Die bloße Kenntnis oder die („billigende“) Annahme, ein bestimmtes eigenes Verhalten werde eine andere Person zu einem rechtswidrigen Angriff provozieren, kann für sich genommen nicht zu einer Einschränkung des Rechts führen, sich gegen einen Angriff mit den erforderlichen und gebotenen Mitteln zur Wehr zu setzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2018 – 1 StR 208/18, StV 2020, 290, 291 und vom 4. August 2010 – 2 StR 118/10, NStZ 2011, 82, 83; Urteile vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333 und vom 12. Februar 2003 – 1 StR 403/02, NJW 2003, 1955, 1959).

BGH, Beschluss vom 03.03.2021 - 4 StR 318/20 - LG Verden

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