Spurenbeseitigung als Strafschärfungsfaktor bei heimtückischer Tötung

| Strafrecht

StGB § 211 Abs. 2, § 46

„[Rn. 11] aa) Heimtückisch handelt, wer sein Opfer unter Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit tötet. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen - tätlichen - Angriff rechnet. Ein bloßer der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat (vgl. BGH, Urteile vom 13. Mai 2015 - 3 StR 460/14, NStZ-RR 2015, 308; vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, juris Rn. 8 mwN). Entscheidend für die Einordnung der Zielrichtung und des Schweregrads des Angriffs ist in solchen Fällen - insbesondere bei Beziehungstaten - der Wahrnehmungshorizont des Opfers (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 248/04, juris Rn. 5, 19; MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl., § 211 Rn. 158 mwN). Arglosigkeit kann allerdings auch noch dann vorliegen, wenn der Täter dem Opfer zwar offen feindselig gegenübertritt, die Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und unmittelbarem Angriff aber so kurz ist, dass dem Opfer keine Möglichkeit der Abwehr verbleibt. Die Möglichkeit von Abwehrversuchen im letzten Moment steht der Annahme von Heimtücke nicht entgegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016 - 3 StR 120/16, NStZ-RR 2017, 78; Urteil vom 3. September 2015 - 3 StR 242/15, NStZ 2016, 340, 341, jeweils mwN).

...

[Rn. 20] ... der Versuch, sich durch Spurenbeseitigung selbst der Strafverfolgung zu entziehen, ist als solcher kein zulässiger Strafschärfungsgrund (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2016 - 2 StR 286/16, StV 2019, 446 Rn. 3; Urteil vom 10. Mai 1988 - 1 StR 175/88, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 13; Beschlüsse vom 11. August 1989 - 2 StR 366/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 17; vom 6. September 1989 - 3 StR 281/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 18). Das Bestreben des Täters, sich vor der Strafverfolgung zu schützen, ist bis zu einem gewissen Grad verständlich und kein Anzeichen besonderer Rechtsfeindlichkeit. Aber selbst dort, wo aus der Spurenbeseitigung auf einen stärkeren verbrecherischen Willen geschlossen werden könnte, verbietet der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit zumindest eine strafschärfende Bewertung einfacher Spurenbeseitigung. Nur dann, wenn - anders als hier - das Nach- tatverhalten neues Unrecht schafft oder der Täter Ziele verfolgt, die ein ungünstiges Licht auf ihn werfen (sog. qualifizierte Spurenbeseitigung), kann etwas Anderes gelten (vgl. hierzu LK/Schneider, StGB, 13. Aufl., § 46 Rn. 184 f. mwN).“

BGH, Urteil vom 11.12.2024 - 3 StR 185/24 - LG Oldenburg

Zurück