GG Art. 103; WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 1; StGB §§ 52, 53
[Rn. 5] Nach Art. 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrfach bestraft werden. Maßstab ist der prozessuale Tatbegriff des § 264 StPO; dieser bestimmt sich nach dem von der zugelassenen Anklage umschriebenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll, und erstreckt sich auf das gesamte Verhalten des Täters, das nach natürlicher Auffassung ein mit diesem geschichtlichen Vorgang einheitliches Geschehen bildet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 – 2 StR 394/21, Rn. 10). Ein tateinheitliches Geschehen (§ 52 StGB) stellt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine Tat dar; umgekehrt bilden im Sinne von § 53 StGB selbstständige Handlungen – von engen Ausnahmen abgesehen – auch mehrere Taten im prozessualen Sinne (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – StB 52/18, BGHSt 64, 1, 7 mwN).
[...]
[Rn. 9] aa) Grundsätzlich stehen verschiedene Verstöße gegen das Waffengesetz, die zugleich Fortsetzung des Dauerdeliktes des Waffenbesitzes sind, zwar zueinander in Tateinheit nach § 52 Abs. 1 StGB, soweit es sich um dieselbe Waffe handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 1999 – 1 StR 678/98, NStZ 1999, 513, 514; vom 23. Januar 1991 – 2 StR 552/90, BGHR § 52 Abs. 3 WaffG Konkurrenzen 2). Dies gilt auch im Verhältnis des Führens einer Waffe zu ihrem Besitz, wenn der Täter die tatsächliche Gewalt über eine Waffe sowohl außer- als auch innerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen befriedeten Besitztums ausübt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388; vom 13. August 2009 – 3 StR 226/09).
[Rn. 10] bb) Das Dauerdelikt des Waffenbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG) erfährt aber sachlich-rechtlich eine Zäsur, wenn sich der Täter entschließt, mit dieser Waffe ein Verbrechen zu begehen. Dann stellen die Abschnitte vor und nach die- ser Tat jeweils eigene selbstständige Handlungen (§ 53 Abs. 1 StGB) dar und sind regelmäßig auch als eigenständige prozessuale Taten im Sinne von § 264 StPO zu qualifizieren (vgl. BGH, Urteile vom 16. März 1989 – 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 153 f.; vom 15. April 1998 – 2 StR 670/97, NStZ-RR 1999, 8, 9; Beschluss vom 20. Oktober 2015 − 4 StR 343/15, NStZ 2016, 159; Pauckstadt-Maihold/Lutz in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 249. Ergänzungslieferung September 2023, WaffG § 52 Rn. 100). Dies gilt auch im Verhältnis von Erwerb und Besitz einer Waffe zu ihrem Führen, wenn dieses auf einem neuen Entschluss des Täters beruht (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 1989 – 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 154; MüKo-StGB/Heinrich, 4. Aufl., § 52 WaffG Rn. 169; Steindorf/Heinrich, Waffenrecht, 11. Aufl., § 52 WaffG Rn. 98).“
BGH, Beschluss vom 30.04.2024 - 6 StR 536/23 - LG Braunschweig